Die unterschiedlichen Formen psychischer und physischer Gewalt an Mädchen und Frauen oder Jungen und Männern:

Zur physischen Gewalt sind neben Misshandlung, Folter, Genitalverstümmelung und Mord auch Verstoßung und Zwangsheirat zu zählen, die sowohl physische als auch psychische Gewalt beinhalten können.

Die Gewalt wird in den meisten Fällen auf mehreren Ebenen ausgeübt: körperlich, psychisch und sexualisiert.

Bei Gewalt in Paarbeziehungen oder im engen sozialen Nahraum handelt es sich häufig um einen Komplex körperlicher, sexualisierter und psychischer Gewalt. Neben beispielsweise Schlägen, Tritten, Verbrennungen oder Verätzungen werden Betroffene häuslicher Gewalt nicht selten zu sexuellen Handlungen gezwungen oder genötigt und somit vergewaltigt. Die psychische Gewalt ist vielfältig und wird von vielen Opfern in Form von Beschimpfungen, Demütigungen, sozialer Isolation, dem Verbot zu arbeiten, auszugehen oder die eigene Meinung zu äußern als gravierend erlebt.

Die verschiedenen Gewaltformen stehen nicht separat nebeneinander, sondern greifen ineinander. Meist liegen mehrere Gewaltformen vor. Häusliche Gewalt bedeutet eine komplexe bedrohliche und demütigende Gesamtsituation für die betroffenen Frauen und Männer.

In der bundesdeutschen Prävalenzstudie zur Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen aus dem Jahr 2004 gaben 31% der von häuslicher Gewalt betroffenen Frauen an, bisher nur eine Gewaltsituation durch ihre/n Partner*in erlebt zu haben. 36% nannten zwei bis zehn Situationen, 33% erlebten mehr als zehn und bis zu vierzig Situationen. Bei 64% der Betroffenen hatten die gewaltsamen Übergriffe durch eine/n (Ex-)Partner*in leichte bis schwere körperliche Verletzungen zur Folge.

Neun Prozent gaben an, dass sich die körperlichen Übergriffe ausschließlich auf erzwungene sexuelle Handlungen bezogen, bei 70% ausschließlich auf körperliche Auseinandersetzungen und bei 20% sowohl auf sexualisierte wie auf körperliche Übergriffe.

Dieselbe Studie zeigt, dass Gewalt gegen Frauen im überwiegenden Anteil im häuslichen Bereich verübt wird. Beziehungspartner*innen waren mit großem Abstand die am häufigsten genannte Täter*innengruppe bei physischer und sexualisierter Gewalt. Die Schwere der Gewalt war durchgängig höher, wenn es sich um sexualisierte oder körperliche Gewalt durch die oder den Beziehungspartner*in, anstatt durch eine/n andere/n Täter*in handelte. Jeweils die Hälfte der Frauen, die seit ihrem 16. Lebensjahr körperliche oder sexualisierte Gewalt erlebt haben, haben diese durch die oder den (Ex-)Partner*in erlebt.

Eine neuere Auswertung der oben genannten Studie hat gezeigt, dass die Mehrheit der von häuslicher Gewalt betroffenen Frauen über eine mittlere oder hohe Bildung verfügt. Das höchste Ausmaß häuslicher Gewalt wurde bei den Paaren festgestellt, bei denen die Frau über ein höheres Einkommen verfügt als ihr/e Partner*in.

Was kann man tun und wie kann man helfen?

Häusliche Gewalt beginnt in vielen Fällen nicht von heute auf morgen sofort mit körperlicher Gewalt. Meist handelt es sich um einen schleichenden Prozess. Warnsignale können sein, dass Ihr/e Partner*in damit anfängt Sie oder Ihre sozialen Kontakte zu kontrollieren oder übertrieben eifersüchtig zu sein. Warnsignale zu erkennen kann dafür sensibilisieren, ob ein Gewaltpotenzial in der Partnerschaft vorhanden ist. Frühzeitiges Grenzen setzen kann möglicherweise eine Eskalation verhindern.

Wenn Sie akut bedroht sind, rufen Sie den Polizeinotruf (110) an. Nennen Sie Ihren Namen und Ihre Adresse und betonen Sie, dass Sie sofort Hilfe brauchen. Teilen Sie der Polizei mit, ob Sie verletzt sind, ob Kinder oder sonstige Personen in der Wohnung sind, ob die oder der Täter*in noch anwesend ist oder ob sie oder er Waffen besitzt.

Bis die Polizei kommt bringen Sie sich und gegebenenfalls Ihre Kinder in Sicherheit, zum Beispiel bei Nachbarn, in Geschäften oder in der eigenen Wohnung.

Mit häuslicher Gewalt muss kein Mensch alleine fertig werden. Professionelle Beratungsangebote unterstützen betroffene und bedrohte Frauen und Männer. Wenden Sie sich zum Beispiel an eine Fachberatungsstelle oder Frauenberatungsstelle in Ihrer Nähe. Dort unterstützt ein oder eine Berater*in Sie dabei konkrete Handlungsmöglichkeiten zu erarbeiten, ein persönliches Sicherheitskonzept zu erstellen und herauszufinden, welche rechtlichen Möglichkeiten Sie haben. Sie können dabei unterstützt werden die Gewalt aufzuarbeiten. Wenn Sie Schutz brauchen, unterstützt die Beratungsstelle Sie dabei, einen Platz in einem Frauenhaus oder einer sicheren Unterkunft zu finden.

Wenn Sie eine Person kennen, die von häuslicher Gewalt betroffen ist, können Sie sich ebenfalls an eine Fachberatungsstelle wenden. Dort kann gemeinsam erarbeitet werden, wie Sie die oder den Betroffene*n unterstützen können. Setzen Sie betroffene Frauen und Männer nicht unter Druck und leiten Sie keine Maßnahmen gegen ihren Willen ein, auch wenn das schwer fällt.

Die Plakataktion des Reutlinger Frauenhauses zeigte auf: „Im eigenen Heim leben Frauen am gefährlichsten“. Weltweit ist das so, auch in Deutschland. Häusliche Gewalt ist die häufigste Ursache von Verletzungen bei Frauen: häufiger als Verkehrsunfälle und Krebs zusammengenommen. Für Frauen ist das Risiko, durch einen Beziehungspartner Gewalt zu erfahren, weitaus höher als von einem Fremden tätlich angegriffen zu werden. Bildung, Einkommen, Alter und Religionszugehörigkeit sind dabei völlig bedeutungslos. In Deutschland ist oder war schon jede vierte Frau Opfer von häuslicher Gewalt. Ihr eigenes Zuhause ist der gefährlichste Ort für eine Frau.

Frauen sind in ihrem Zuhause aber nicht nur von häuslicher Gewalt betroffen, sondern häufig auch zusätzlich oder ausschließlich von sexualisierter Gewalt. Die eigene Wohnung war der häufigste Tatort für Frauen, die sexualisierte Gewalt erlebt haben. Diese Form der Menschenrechtsverletzung passiert in Deutschland täglich: Jede siebte Frau musste in ihrem Leben schon einmal eine Vergewaltigung, versuchte Vergewaltigung oder sexuelle Nötigung erleben.

Durch unsere Arbeit im Referat „Häusliche und sexualisierte Gewalt“ machen wir die Öffentlichkeit auf diese drängenden Themen aufmerksam. Wir setzen uns für Gesetzesänderungen ein und vernetzen uns mit anderen Frauenorganisationen. Außerdem bieten wir Betroffenen Beratung und Unterstützung an. Gemeinsam mit Unternehmen informieren wir Beschäftigte und sagen Nein zu häuslicher und sexualisierter Gewalt.