HennaMond warnt vor Zwangs-Verheiratung. Herzliche Bitte an das Personal von Schule und Beratungsstelle: Schalten Sie sich ein

Der bundesweit agierende Verein HennaMond fordert muslimische Schülerinnen sowie ihre Lehrer*innen zu besonderer Vorsicht auf, wenn es in den Sommerurlaub in die Türkei oder ein anderes muslimisches Land geht. Jedes Jahr kehren Hunderte Jugendliche nicht zurück, weil sie zwangsverheiratet worden sind oder werden sollen.

„Es gibt keine genauen Zahlen, wie viele Migranten einen Cousin oder eine Cousine heiraten. Aber es gibt erstaunlich hohe Zahlen aus den Herkunftsländern“, berichtete der „Spiegel“ in Heft 36 (2009). „Der langjährige Leiter der genetischen Beratungsstelle der Berliner Charité, Jürgen Kunze, hat im Nahen Osten Regionen mit bis zu 80 Prozent Verwandtenehen gefunden. In der Türkei werden, je nach Landstrich, 20 bis 30 Prozent der Ehen innerhalb der Familie arrangiert.“

Nicht alle Zwangsehen führen Cousinen und Cousins zusammen. In vielen Fällen haben Eltern aus fernerer Verwandtschaft ihre Kinder einander bereits vor Jahren versprochen. Auch darüber gibt es keine statistischen Angaben. Aus Berlin ist bekannt, dass 2013 im Sommer 460 muslimische Mädchen nicht wieder in die Schule zurückkehrten, weil sie zwangsverheiratet worden waren, berichtete „Emma“ in der Juli-Ausgabe 2018.

Ein probates Mittel ist, dass der Vater der Tochter Ausweis und Handy abnimmt und sie bei den Großeltern unterbringt, um die Hochzeit in die Wege zu leiten. Weil viele gefährdete Schülerinnen ahnungslos sind, nehmen sie weder ihre deutsche Geburtsurkunde und Meldebescheinigung noch weitere Dokumente mit in den Urlaub. Es soll ja nur ein kurzer besuch bei Verwandten sein… Also stehen Betroffenen hohe bürokratische Hürden im Weg, sollte es ihnen gelingen zu fliehen.

„Die meisten Opfer sind türkischer und arabischer Abstammung und zu 98 Prozent weiblich. Aber auch in Familien aus dem Kosovo, dem Libanon, dem Irak, aus Afghanistan oder Tschetschenien kommt es vor, dass die Mädchen in die Heimatländer verschleppt werden, um sie dort zu verheiraten,“ schrieb Emma.

Daher möchte HennaMond Lehrer*innen, Schulsozialarbeiter*innen sowie Betreuer*innen von Jugendeinrichtungen für das Thema sensibilisieren. Wir bitten diese eindringlich, das Thema im Unterricht oder im Gespräch zu behandeln. Das Bezirksamt Neukölln beispielsweise bat diese Erwachsenen, das Jugendamt oder eine Beratungsstelle bei Verdacht bereits vorab zu informieren.

HennaMond-Gründerin und -Geschäftsführerin Sonja Fatma Bläser: „Fachmenschen sagen, dass etwa die Hälfte der Mädchen eine Art Vorahnung haben. HennaMond hat schon Mails aus dem Ausland erhalten, in denen Betroffene schreiben, dass sie festgehalten werden. Aber wenn die Mädchen einmal in Syrien, Libanon, Pakistan oder der Türkei angekommen sind, ist es schwierig bis unmöglich, etwas zu tun. Vor allem, wenn die Betroffenen keinen deutschen Pass haben.“

Präventiv ist sinnvoll, dass Schülerinnen mit einer Vorahnung diese Vermutung aufschreiben und bei der Lehrerin oder einer anderen Vertrauensperson hinterlegen, empfiehlt auch der Berliner Verein „Papatya“ – am besten mit einer eidesstattlichen Erklärung, dass die Betroffene nicht heiraten und nach Deutschland zurückkehren will. Eine vorab ausgestellt Vollmacht für einen Rechtsanwalt macht es auch Behörden einfacher zu helfen. Allerdings ist eine Minderjährige juristisch noch nicht befugt, eine Vollmacht zu schreiben.

Günstig ist allemal, wenn Betroffene ein Handy (mit Prepaid-Karte), die Adresse der deutschen Botschaft sowie Bargeld gut im Gepäck verstecken. Kopieren Sie auch den eigenen Pass sowie die Flugtickets und verstecken Sie die Kopien sicher im Gepäck.

Im Übrigen stehen Kinderschutz-Experten unter der bundesweiten Nummer gegen Kummer (116 111) zur Verfügung.

Der „Emma“-Artikel zitierte eine Idee aus Göteborg. Die Betroffene steckt sich kurz vor der Personenkontrolle auf dem Flughafen einen Metalllöffel in die Unterhose. Wenn dieser im Metalldetektor entdeckt wird, muss die Person in einem gesonderten Raum allein untersucht werden – eine Chance für die Mädchen, sich den Sicherheitsbeamten gegenüber als schutz- und hilfsbedürftig zu outen. Ohne dass die Eltern es mitbekommen.

Die Beraterinnen von HennaMond stehen unter der Nr. 0221 – 1699 3101 oder 0172 – 2639 593 zur Verfügung (info@hennamond-verein.de). Die Beratungsstelle hat die Adresse Wilhelm-Sollmann-Str. 103 in 50737 Köln; Bahnverbindungen: Linien 12, 13, 15 (Haltestelle „Herforder Straße“).

Mit freundlichen Grüßen

gez. Sonja Fatma Bläser

HennaMond hilft Mädchen, jungen Frauen und jungen Männern, die von häuslicher Gewalt, psychischer Gewalt, Zwangsverheiratung oder „Ehrenmord“ betroffen sind. Der Verein steht ihnen in schwierigen Lebenssituationen mit Rat und Tat zur Seite und unterstützt sie auf dem Weg in ein selbst bestimmtes und freies Leben.